AGBN Entscheidung vom 2018-10-19
Das Amtsgericht Bonn entschied in einem komplexen Fall, in dem sowohl Mängelrechte als auch Kündigungsrechte aufeinandertrafen. Der Mieter hatte ohne Zustimmung des Vermieters erhebliche bauliche Veränderungen vorgenommen (Ausbau von Treppe, Heizung, Elektroinstallation) und wurde zur Räumung verurteilt. Gleichzeitig stellte das Gericht fest, dass der Mieter wegen eines durch defekte Regenrinnen verursachten Wasserschadens mit verfaulten Deckenbalken zur Mietminderung von 20% berechtigt war. Diese Entscheidung zeigt, dass Mängelrechte und Pflichtverletzungen des Mieters getrennt zu bewerten sind und eine berechtigte Mietminderung auch bei gleichzeitiger Kündigung bestehen kann.
Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.
Kernpunkte der Entscheidung
- 1Mieter muss trotz berechtigter Mietminderung wegen unbefugter Baumaßnahmen die Wohnung räumen
- 2Mietminderung von 20% wegen Wasserschaden mit verfaulten Deckenbalken ist berechtigt
- 3Unbefugte bauliche Veränderungen (Ausbau von Treppe, Heizung, Elektrik) rechtfertigen fristlose Kündigung
- 4Mängelrechte und Pflichtverletzungen des Mieters sind getrennt zu bewerten
- 5Behauptete Zustimmung des Vorvermieters zu Umbaumaßnahmen muss bewiesen werden
Rechtliche Bedeutung
Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung für das Mietrecht, da sie die parallele Geltung von Mängelrechten und Kündigungsrechten klarstellt. Selbst wenn ein Mieter zur fristlosen Kündigung Anlass gibt, verliert er nicht automatisch seine Rechte wegen Mängeln der Mietsache. Die Entscheidung zeigt auch die Bedeutung der Beweislast: Mieter müssen behauptete Zustimmungen zu Umbaumaßnahmen beweisen können. Für die Praxis bedeutet dies, dass Vermieter trotz berechtigter Kündigung möglicherweise Mietminderungen hinnehmen müssen, während Mieter trotz berechtigter Mängelansprüche bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen die Wohnung verlieren können.
Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.
Entscheidungsgründe
Tenor
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Der Kläger wird auf die Widerklage verurteilt, die Wohnung J-Straße, XXXXX C, Erdgeschoss, Vorderhaus, einschließlich Langbau, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad zu räumen und an den Beklagten herauszugeben.
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Es wird festgestellt, dass der Kläger zur Minderung des Mietzinses wegen des Loches in der Decke der Küche mit verfaulten tragenden Balken in Höhe von 20% des Bruttomietzinses berechtigt ist.
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Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.
Sachverhalt
Mietverhältnis und Mängel
Der Kläger ist Mieter einer Erdgeschosswohnung, die monatliche Miete beträgt 258,89 €. Seit Juli 2015 macht er eine Mietminderung von 20% geltend und behält monatlich 51,39 € ein.
Bauliche Veränderungen durch den Mieter
Der Kläger nahm umfangreiche Renovierungsarbeiten vor:
- Entfernung der Wandpaneele aus Holz
- Entfernung alter und Verlegung neuer Elektroleitungen
- Abschlagen von Putz von den Wänden
- Ausbau einer Treppe ins erste Obergeschoss
- Entfernung von Heizgeräten
Bei der Entfernung der Holzpaneele entdeckte er verfaulte Holzbalken und ein Loch in der Decke.
Schadensursache
Ein Sachverständigengutachten stellte fest:
- Ursache war von oben eintretendes Wasser durch eine defekte Regenrinne
- Das Wasser drang durch eine Tür im Obergeschoss ein
- Der Verfaulungsprozess erstreckte sich über etwa ein Jahr
- Es entstand Schimmelbefall an den Wänden
Kündigung
Am 24.05.2017 kündigte der Vermieter fristlos wegen:
- Zahlungsrückstand von mehr als zwei Monatsmieten
- Starker Verschmutzung und Verwahrlosung
- Baulicher Veränderungen ohne Genehmigung
Rechtliche Würdigung
I. Räumungsanspruch
Der Beklagte hat Anspruch auf Rückgabe der Wohnung gemäß § 546 Abs. 1 BGB, da das Mietverhältnis durch fristlose Kündigung beendet wurde.
Gemäß § 543 Abs. 1 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Unstreitig baute der Kläger ohne Zustimmung des Vermieters aus:
- Eine Treppe
- Die Heizgeräte
- Den Bodenbelag
- Die vorhandene Elektroinstallation
Die behauptete Zustimmung des Vorvermieters wurde nicht unter Beweis gestellt, sodass der Kläger beweisfällig bleibt.
II. Mietminderung
Die Widerklageanträge auf Zahlung sind unbegründet, da die Miete gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB um 20% gemindert war.
1. Mangelhaftigkeit der Mietsache
Das Gericht ist aufgrund der Beweisaufnahme überzeugt:
- Es handelt sich um einen bauseits bedingten Mietmangel
- Der Kläger hat diesen nicht zu vertreten
- Ursache war von oben eintretendes Wasser durch defekte Regenrinne
- Der Verfaulungsprozess zog sich über etwa ein Jahr
2. Minderungshöhe
Ein Loch in der Decke der Küche mit fehlender Standfestigkeit rechtfertigt eine Minderung um 20%.
3. Keine Ausschlussgründe
Das Minderungsrecht war nicht gemäß § 536c Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen:
- Spätestens ab Zustellung der Klageschrift am 27.06.2016 war dem Beklagten der Mangel bekannt
- Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger den Mangel bereits am 03.03.2015 angezeigt hatte
Ergebnis
Diese Entscheidung zeigt die getrennte Bewertung von:
- Pflichtverletzungen des Mieters (unbefugte Baumaßnahmen) → Kündigung berechtigt
- Mängelrechten des Mieters (Wasserschaden) → Minderung berechtigt
Beide Rechtspositionen bestehen nebeneinander und sind unabhängig voneinander zu beurteilen.
Die hier wiedergegebenen Entscheidungen stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen. Eine Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit kann nicht übernommen werden.
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