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BSG - 1 KR 26/11 vom 2012-07-03

BSG
1 KR 26/11
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In der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. Juli 2012 ging es um die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Kostenerstattung für selbst beschaffte intravitreale Injektionen des Medikaments Avastin hatte, das in Deutschland nicht für ihre Erkrankung zugelassen war. Das Gericht wies die Revision der Klägerin zurück und bestätigte, dass kein Anspruch auf Kostenerstattung besteht, da die Behandlung nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten ist und die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use nicht erfüllt sind. Diese Entscheidung hat rechtliche Bedeutung, da sie die strengen Anforderungen an die Kostenerstattung für nicht zugelassene Arzneimittel unterstreicht und die Notwendigkeit einer evidenzbasierten medizinischen Behandlung betont.

Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.

Kernpunkte der Entscheidung

  • 1"Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern wird zurückgewiesen.
  • 2"Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die intravitrealen Injektionen von Avastin, da diese nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind.
  • 3"Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use von Avastin sind nicht erfüllt, da kein ausreichender Wirksamkeitsnachweis vorliegt.

Rechtliche Bedeutung

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) bekräftigt die Rechtsgrundsätze zur Kostenerstattung für nicht zugelassene Arzneimittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Insbesondere wurde festgestellt, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung für das Arzneimittel Avastin nicht besteht, da es nicht für die spezifische Erkrankung der Klägerin zugelassen ist und die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use nicht erfüllt sind. Diese Entscheidung ist relevant für Fälle, in denen Versicherte die Kosten für nicht zugelassene Behandlungen oder Arzneimittel geltend machen wollen, und hat praktische Auswirkungen auf die Kostenübernahme durch die GKV, da sie die strengen Anforderungen an die Wirksamkeit und Zulassung von Arzneimitteln unterstreicht.

Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.

Tenor

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1. Streitgegenstand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte augenärztliche Behandlung mit dem Arzneimittel Avastin (Wirkstoff Bevacizumab).

2. Sachverhalt

  • Die 1938 geborene Klägerin war bis zum 31.08.2008 bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert.
  • Sie leidet an einer erheblichen Visuseinschränkung auf dem rechten Auge aufgrund einer rezidivierenden Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem.
  • Im Zeitraum 2006/2007 hatte sie nahezu unbeeinträchtigtes Sehen auf dem linken Auge.
  • Am 14.09.2006 beantragte sie die Kostenübernahme für die intravitreale Injektion von Avastin.
  • Laut Prof. Dr. H. seien die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use von Avastin aufgrund eines diabetischen Makulaödems erfüllt.
  • Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 05.10.2006).
  • Die Klägerin ließ sich im November 2006, Januar 2007 und März 2007 Avastin injizieren und zahlte insgesamt 982,28 Euro.
  • Ihr Überprüfungsantrag blieb erfolglos (Bescheid vom 18.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.01.2008).
  • Das Sozialgericht (SG) wies die Klage auf Kostenerstattung ab (Urteil vom 18.09.2008), das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung zurück, da es an einem Wirksamkeitsnachweis für den Off-Label-Use fehle.

3. Revision der Klägerin

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V und mangelhafte Sachverhaltsaufklärung.

  • Sie argumentiert, dass es sich bei ihrer Erkrankung um einen die Therapie mit Avastin rechtfertigenden Seltenheitsfall handle, mit einer Inzidenz von 5 auf 10.000 Personen.

4. Anträge

  • Die Klägerin beantragt, das Urteil des LSG vom 25. Mai 2011, das Urteil des SG vom 18. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 05. Oktober 2006 zurückzunehmen und ihr 982,28 Euro zu zahlen.
  • Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Revision

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

  • Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 982,28 Euro für die Kosten der intravitrealen Injektionen von Avastin.

2. Rechtsgrundlage

Der Anspruch der Klägerin könnte sich aus § 44 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 2 SGB V ergeben.

a) Rücknahme eines Verwaltungsakts

  • Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X kann ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn das Recht unrichtig angewandt wurde oder ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde lag.
  • Die Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.

b) Kostenübernahme

  • Die Beklagte hat das Recht nicht unrichtig angewandt, als sie die Kostenübernahme für die Avastin-Injektionen ablehnte.
  • Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, die die Krankenkassen in Natur zu erbringen haben.

3. Anspruch auf Krankenbehandlung

Die Klägerin kann nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, jedoch ist Avastin mangels Zulassung für ihre Erkrankung nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig.

a) Off-Label-Use

  • Ein Anspruch auf Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use besteht nicht, da die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

b) Grundrechtsorientierte Leistungsauslegung

  • Eine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung ist nicht anwendbar, da die Klägerin nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet.

4. Seltenheitsfall

Die Klägerin kann auch nach den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles keinen Anspruch auf Avastin geltend machen.

a) Anforderungen an einen Seltenheitsfall

  • Ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass das Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar ist.
  • Das LSG hat festgestellt, dass das Krankheitsbild der Klägerin erforschbar ist.

b) Bindung an die Feststellungen des LSG

  • Der Senat ist an die Feststellungen des LSG gebunden, da die Klägerin keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat.

5. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die hier wiedergegebenen Entscheidungen stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen. Eine Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit kann nicht übernommen werden.

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Rechtlicher Hinweis

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