BVerwG - 1 K 1058/09 vom 2017-12-13
In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13. Dezember 2017 ging es um die Rückübertragung von hälftigen Bruchteilseigentumsrechten an einem Grundstück, das im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Verfolgung enteignet wurde. Das Gericht entschied, dass die Kläger, die als Erben von Sali K. auftreten, trotz ihrer Berechtigung auf Restitution keinen Anspruch auf Rückübertragung hatten, da der Erwerb des Grundstücks durch den Rechtsvorgänger des Beigeladenen nach dem 8. Mai 1945 stattfand und somit der Ausschlussgrund des redlichen Erwerbs gemäß § 4 Abs. 2 VermG greift. Diese Entscheidung hat rechtliche Bedeutung, da sie die Auslegung des Restitutionsrechts und die Bedingungen für einen redlichen Erwerb in der Nachkriegszeit präzisiert, insbesondere in Bezug auf die zeitlichen Anforderungen an den Erwerb von Immobilien.
Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.
Kernpunkte der Entscheidung
- 1"Die Kläger fordern die Restitution hälftigen Bruchteilseigentums an einem landwirtschaftlichen Flurstück, das im Zuge der NS-Verfolgung enteignet wurde.
- 2"Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen lehnte die Rückübertragung des Grundstücks ab, da der Erwerb durch den Rechtsvorgänger des Beigeladenen als redlich galt.
- 3"Das BVerwG entschied, dass der Restitutionsausschluss aufgrund redlichen Erwerbs nicht anwendbar ist, da der Kausalvertrag vor dem 8. Mai 1945 geschlossen wurde.
Rechtliche Bedeutung
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13. Dezember 2017 befasst sich mit der Rückübertragung von Eigentum, das während der nationalsozialistischen Herrschaft entzogen wurde, und wendet dabei die Rechtsgrundsätze des Vermögensgesetzes (VermG) an. Insbesondere wird klargestellt, dass ein Restitutionsanspruch nach § 4 Abs. 2 VermG ausgeschlossen ist, wenn der gesamte Erwerbsvorgang, einschließlich des Kausalgeschäfts, nach dem 8. Mai 1945 stattgefunden hat. Diese Entscheidung ist relevant für Fälle, in denen ehemalige Eigentümer oder deren Erben Ansprüche auf Rückübertragung von Vermögenswerten geltend machen, die unter nationalsozialistischen Bedingungen entzogen wurden, und hat praktische Auswirkungen auf die Beurteilung von Restitutionsansprüchen, indem sie die Kriterien für redlichen Erwerb und die zeitlichen Rahmenbedingungen
Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.
Tatbestand
1. Klageanliegen
Die Kläger, als Erben von Herrn Sali K., fordern die Restitution des hälftigen Bruchteilseigentums an dem 85.959 qm großen landwirtschaftlichen Flurstück a der Gemarkung H.
- Hintergrund:
- Das Grundstück entstand durch Zergliederung aus dem Flurstück b, das seit 1929 im Eigentum der G. stand.
- Sali und Leopold K. hielten seit 1934 je zur Hälfte Gesellschaftsanteile und waren Juden im Sinne der nationalsozialistischen Rassegesetze.
- 1935 beschlossen sie die Auflösung der Gesellschaft und die hälftige Teilung des Betriebsvermögens.
- Im Zusammenhang mit ihrer Ausbürgerung wurde ihr Vermögen 1939 für dem Reich verfallen erklärt.
- Sali K. verstarb 1941 und wurde von seiner Frau Irma Henrietta K. beerbt, die 1976 verstarb. Die Kläger erbten deren beweglichen Nachlass in Deutschland.
2. Grundstücksverlauf
- Am 21. Juli 1944 wurde das Flurstück b unter Hinweis auf die Verfallserklärung auf das Großdeutsche Reich umgeschrieben.
- Es wurde an die S. GmbH verkauft, die im Dezember 1944 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde.
- Der Verkauf an den Landwirt Walter L. erfolgte am 10. Oktober 1944, wobei das Flurstück bereits am 1. Oktober 1944 übergeben wurde.
- Nach Kriegsende wurde das Grundstück am 9. Juli 1946 auf Walter L. umgeschrieben.
3. Entschädigungsanträge
- Die Erben von Leopold K. nahmen eine Entschädigung für die Entziehung seiner Unternehmensbeteiligung an.
- Die Erben von Irma Henrietta K. stellten 1990 einen Rückübertragungsantrag.
- Das Bundesamt stellte am 4. Februar 2008 die Entschädigungsberechtigung der Kläger fest, lehnte jedoch die Rückübertragung des Bruchteilseigentums ab.
4. Klageerhebung
- Am 30. November 2009 erhoben die Kläger Klage auf Rückübertragung des hälftigen Bruchteilseigentums.
- In der mündlichen Verhandlung beantragten sie nur noch die Rückübertragung an sich.
5. Urteil des Verwaltungsgerichts
- Mit Urteil vom 27. Mai 2015 wurde die Klage abgewiesen.
- Die Kläger wurden als restitutionsberechtigt anerkannt, jedoch wurde die Rückübertragung aufgrund des redlichen Erwerbs durch Walter L. nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen.
6. Revision
- Die Kläger machen geltend, dass das Urteil § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG unzutreffend auslege.
- Sie beantragen die Rückübertragung des hälftigen Bruchteilseigentums.
7. Verteidigung der Beklagten
- Die Beklagte verteidigt das Urteil und argumentiert, dass der Restitutionsausschluss greife, da alle wesentlichen Rechtshandlungen nach dem 8. Mai 1945 erfolgten.
8. Unterstützung des Beigeladenen
- Der Beigeladene unterstützt die Beklagte, stellt jedoch keinen eigenen Antrag.
9. Verzicht auf mündliche Verhandlung
- Die Beteiligten verzichteten auf mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Revision
- Der Senat entschied gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
- Die Revision ist zulässig und begründet, da das angegriffene Urteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts beruht.
2. Auslegung des Klagebegehrens
- Die Klage ist dahingehend auszulegen, dass die Kläger die Verpflichtung zur hälftigen Bruchteilsrestitution des Flurstücks a anstreben.
3. Bruchteilsrestitutionsberechtigung
- Die Vorinstanz hat die Bruchteilsrestitutionsberechtigung der Kläger zu Recht bejaht.
- Der Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen.
4. Unrichtige Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG
- Das angegriffene Urteil beruht auf einer unrichtigen Auslegung dieser Vorschrift.
- Der Bruchteilsrestitutionsanspruch ist nicht aus anderen Gründen zu verneinen.
5. Zulässigkeit der Klage
- Die Klage ist zulässig, da die Kläger sich gegen die Ablehnung der Bruchteilsrestitution wenden.
6. Bruchteilsrestitutionsberechtigung
- Die Kläger sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG Berechtigte.
- Der Anspruch auf Bruchteilsrestitution gehört zu dem von ihnen ererbten beweglichen Inlandsvermögen.
7. Ausschluss der Bruchteilsrestitution
- Die Bruchteilsrestitution ist nicht wegen redlichen Erwerbs des Grundstücks durch Walter L. ausgeschlossen.
- Der Erwerb des Flurstücks b fiel nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich der Vorschrift.
8. Bedeutung des Kausalgeschäfts
- Der gesamte Erwerbsvorgang muss nach dem 8. Mai 1945 stattgefunden haben.
- Der Grundstückskaufvertrag wurde vor dem 8. Mai 1945 geschlossen.
9. Schlussfolgerung
- Das angegriffene Urteil ist nicht aus anderen Gründen richtig.
- Eine wirksame Anmeldung gemäß § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 VermG liegt vor.
- § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG steht der Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nicht entgegen.
10. Kostenentscheidung
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 155 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
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