VGAC - 16 A 3819/99 vom 2006-01-06
In der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen (Urteil vom 6. Januar 2006, Az. 16 A 3819/99) ging es um die Übernahme ungedeckter Heimpflegekosten für den verstorbenen Vater des Klägers durch den Beklagten, eine Sozialhilfeträger. Das Gericht entschied, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten in Höhe von 3.593,06 EUR für den Zeitraum vom 23. Juni bis 31. Dezember 2003 zu übernehmen, da der Kläger als Erbe des Vaters einen Anspruch auf Sozialhilfe hatte und die Voraussetzungen für eine Ablehnung nicht gegeben waren. Die rechtliche Bedeutung dieser Entscheidung liegt darin, dass das Gericht klärte, dass Ansprüche auf Sozialhilfe auch nach dem Tod des Berechtigten von den Erben geltend gemacht werden können, wenn die Hilfe im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen beantragt wurde.
Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.
Kernpunkte der Entscheidung
- 1"Der Beklagte wird verpflichtet, ungedeckte Heimpflegekosten in Höhe von 3.593,06 EUR aus Sozialhilfemitteln für den Zeitraum vom 23. Juni 2003 bis 31. Dezember 2003 zu übernehmen.
- 2"Die Klage des Klägers wurde als zulässig und begründet angesehen, da der Vater des Klägers die Anspruchsvoraussetzungen für Sozialhilfe erfüllte.
- 3"Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus § 58 Satz 1 SGB I, da er Erbe seines Vaters ist und die Heimpflegekosten vorfinanziert hat.
Rechtliche Bedeutung
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen (VGAC) vom 6. Januar 2006 befasst sich mit der Übernahme ungedeckter Heimpflegekosten durch den Sozialhilfeträger und wendet dabei die Grundsätze des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) an, insbesondere § 2 Abs. 1 und § 28 Abs. 2 BSHG. Relevant ist diese Entscheidung für Fälle, in denen Angehörige für die Pflege von Familienmitgliedern aufkommen und die Frage aufwirft, ob sie Ansprüche auf Sozialhilfe geltend machen können, nachdem der Pflegebedürftige verstorben ist. Praktisch bedeutet dies, dass Dritte, die Pflegekosten vorfinanzieren, nicht automatisch von der Sozialhilfe ausgeschlossen sind, wenn sie nicht die tatsächliche Pflege erbracht haben, was die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung in Pflegefällen fördern könnte.
Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.
Urteil
Tenor
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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 2. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des M. S1. vom 18. Dezember 2003 verpflichtet, für die Zeit vom 23. Juni 2003 (Tag der Antragstellung) bis zum 31. Dezember 2003 (Ende des Monats der Widerspruchsentscheidung) ungedeckte Heimpflegekosten in Höhe von 3.593,06 EUR aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.
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Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der jetzige Kläger ist der Sohn und einer der Erben des am 17. Juni 2004 im Alter von 93 Jahren verstorbenen Herrn G. S.
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Am 23. Juni 2003 wurde Herr G. S., der pflegebedürftig (Pflegestufe II) war und bis zu diesem Zeitpunkt von dem Kläger und seiner Ehefrau sowie der Mutter des Klägers in häuslicher Pflege versorgt wurde, in die Pflegestation des Altenheims N1. in O. aufgenommen.
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Am selben Tag beantragte der Kläger über den Bürgermeister der Stadt E. beim Beklagten die Übernahme ungedeckter Heimpflegekosten aus Sozialhilfemitteln.
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Mit dem Antrag legte er u. a. einen notariellen "Übertragungsvertrag" vom 18. Mai 1983 vor, der zwischen dem Kläger (als Erwerber) und seinen Eltern (als Veräußerer) geschlossen wurde.
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In Ziffer III.2 des Vertrags räumte der Kläger seinen Eltern als Gegenleistung ein lebenslanges Wohnrecht ein. In Ziffer III.3 des Vertrags wurde den Eltern des Klägers ein "Pflege- und Umsorgungsrecht" eingeräumt. Der Inhalt dieser Bestimmung lautet:
"Der Erwerber verpflichtet sich letztlich den dies annehmenden Eltern gegenüber, diese lebenslang in gesunden und kranken Tagen zu umsorgen und zu pflegen, wie es den jeweiligen Umständen und dem Stand sowie den bisherigen - gegebenenfalls alters- oder krankheitsbedingt veränderten oder erhöhten - Lebensbedürfnissen der Pflegeberechtigten entspricht..."
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Mit Bescheid vom 2. Juli 2003 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Er argumentierte, dass der Kläger verpflichtet sei, für die Pflege seines Vaters aufzukommen, weshalb kein sozialhilferechtlicher Bedarf zur Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten vorliege.
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Der Kläger erhob am 24. Juli 2003 Widerspruch und verwies darauf, dass er die Pflege und Betreuung seines Vaters nicht mehr im häuslichen Bereich bewerkstelligen könne.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2003 wies der M. S1. den Widerspruch zurück. Er argumentierte, dass der Vater des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der Lage sei, die nicht durch eigene Mittel und Leistungen der Pflegekasse gedeckten Kosten der Heimunterbringung selbst zu tragen.
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Der Vater des Klägers hat am 19. Januar 2004 Klage erhoben. Nach seinem Tod haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers dem Gericht mit Schriftsatz vom 12. November 2004 mitgeteilt, dass das Verfahren durch seine Erben fortgeführt werde.
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Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass er seinem verstorbenen Vater entsprechend dem Notarvertrag monatlich die Summe zum Ausgleich der ungedeckten Heimpflegekosten als Darlehen zur Verfügung gestellt habe.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 87 a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme ungedeckter Heimpflegekosten in Höhe von 3.593,06 EUR aus Mitteln der Sozialhilfe für die Zeit vom 23. Juni 2003 bis zum 31. Dezember 2003.
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Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus § 58 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I).
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Der Beklagte hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und argumentiert, dass ein möglicher Anspruch des verstorbenen Vaters des Klägers nach dessen Tod gemäß § 28 Abs. 2 BSHG allenfalls demjenigen zustehe, der die Pflege geleistet habe.
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Das Gericht stellt fest, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die Hilfe (tatsächlich) geleistet hat, da diese im Altenheim N1. in O. erbracht wurde.
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Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 BSHG treffen auf den Kläger nicht zu, da er nicht die Pflege geleistet hat.
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Ein Forderungsübergang auf den Kläger gemäß § 28 Abs. 2 BSHG liegt nicht vor, da die bloße Übernahme von Heimpflegekosten durch Dritte nicht als "Hilfe erbracht oder Pflege geleistet" subsumiert werden kann.
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Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich jedoch aus § 58 Satz 1 SGB I, da die fälligen Ansprüche auf Geldleistungen nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt werden.
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Der Kläger ist befugt, den Anspruch aus § 68 Abs. 1 BSHG allein geltend zu machen, auch wenn er nicht der Alleinerbe seines Vaters ist.
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Der Beklagte hat die Kostenentscheidung gemäß § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO getroffen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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