LGDU Entscheidung vom 1992-05-15
In der Entscheidung des Landgerichts wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 12.100 DM nebst Zinsen zu zahlen, nachdem er einen Kaufvertrag über einen Teppich abgeschlossen hatte, aber die Zahlung nicht vollständig geleistet hatte und vom Vertrag zurücktreten wollte. Das Gericht stellte fest, dass der Rücktritt und die Anfechtung des Beklagten unwirksam waren, da keine ausreichenden Gründe vorlagen und die entsprechenden Fristen abgelaufen waren. Die rechtliche Bedeutung dieser Entscheidung liegt darin, dass sie die Anforderungen an Rücktritt und Anfechtung bei Kaufverträgen klarstellt und verdeutlicht, dass allgemeine Verkaufsversprechen nicht als Täuschung gewertet werden können, wenn sie nicht konkret zugesichert wurden.
Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.
Kernpunkte der Entscheidung
- 1"Der Beklagte wurde verurteilt, 12.100,00 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung des Teppichs.
- 2"Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits wurden zu 90 % dem Beklagten und zu 10 % der Klägerin auferlegt.
- 3"Das Gericht stellte fest, dass der Kaufvertrag trotz der Rücktrittserklärung des Beklagten wirksam blieb, da keine Rücktritts- oder Anfechtungsgründe vorlagen.
Rechtliche Bedeutung
Die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (LGDU) bezieht sich auf die rechtlichen Grundlagen des Kaufrechts, insbesondere die Regelungen zu Rücktritt, Anfechtung und Verzugszinsen gemäß den §§ 433, 119, 123, 124 und 288 BGB. Relevant ist diese Entscheidung für Fälle, in denen Käufer aufgrund von Täuschung oder Irrtum vom Kaufvertrag zurücktreten oder diesen anfechten möchten, insbesondere im internationalen Handel. Praktisch hat das Urteil zur Folge, dass Käufer in ähnlichen Situationen ihre Anfechtungsrechte innerhalb festgelegter Fristen geltend machen müssen, um rechtliche Ansprüche erfolgreich durchzusetzen, und dass Verkäufer in der Regel auch bei unvollständigen Zahlungen Anspruch auf den Kaufpreis haben, solange keine wirksamen Rücktritts- oder Anfechtungsgründe vorliegen.
Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.
Urteil
Tenor
I.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.100,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 07. Mai 1991 Zug um Zug gegen Übereignung des Teppichs Ipek Kayseri, 2,07 Quadratmeter, Artikel-Nr. 36728, zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 90 % und die Klägerin zu 10 %.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.500,00 DM. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung von 300,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- Der Beklagte unterzeichnete am 13. September 1990 bei der Klägerin in der Türkei einen Kaufvertrag über den im Tenor unter I. beschriebenen Teppich.
- Die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 12.500,00 DM, der auch bei einem Kauf in der Bundesrepublik für einen solchen Teppich zu zahlen gewesen wäre, sollte durch:
- eine Anzahlung in Höhe von 2.500,00 DM mittels Euroschecks
- Zahlung weiterer 10.000,00 DM per Nachnahme erfolgen.
- Der von dem Beklagten als Anzahlung gegebene Scheck über 2.500,00 DM wurde nur in Höhe von 400,00 DM eingelöst; über den diesen Einlösungsbetrag übersteigenden Scheckbetrag hatte der Beklagte den Scheck sperren lassen.
- Am 14.09.1990 erklärte der Beklagte schriftlich, er fühle sich von der Klägerin getäuscht und trete vom Kaufvertrag zurück.
- Der Teppich wurde dem Beklagten geliefert. Dieser verweigerte die Annahme. Durch Anwaltsschreiben vom 22. April 1991 forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Teppich abzunehmen und den Kaufpreis zu bezahlen bis zum 06. Mai 1991.
- Die Klägerin behauptet, das Anfechtungsschreiben des Beklagten vom 14.09.1990 habe sie nicht erhalten. Sie arbeite ständig mit Überziehungskrediten, für die sie mindestens 12 % Zinsen pro Jahr zu zahlen habe.
- Die Klägerin beantragt, die Klage abzuweisen.
- Der Beklagte behauptet, die Klägerin habe vor Abschluss des Kaufvertrages zugesichert, der Teppich würde nach Art, Herkunft und Anzahl der Knoten bei einem Kauf in der Bundesrepublik Deutschland ungefähr doppelt so viel wie bei ihr kosten, also ca. 25.000,00 DM.
- Die von ihm – unstreitig – schriftlich niedergelegte Rücktrittserklärung vom 14.09.1990 habe die Klägerin auch erhalten.
- Vorsorglich hat der Beklagte in der Klageerwiderung vom 16. September 1991, die der Klägerin am 19.09.1991 zugestellt worden ist, erneut die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise Irrtums erklärt.
- Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 10. Dezember 1991 durch Vernehmung der Zeugin und des Zeugen.
- Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03. April 1992.
Entscheidungsgründe
-
Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Restkaufpreises in Höhe von 12.100,00 DM auf der Grundlage des § 433 Abs. 2 BGB sowie auf Zahlung von 4 % Zinsen gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
„Die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug ergibt sich aus § 322 Abs. 1, wobei diese Verurteilung als Minus im unbedingten Klageantrag enthalten ist.“
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Weitere Ansprüche stehen der Klägerin gegen den Beklagten nicht zu.
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Der Kaufvertrag ist trotz der „Rücktritts-„ Erklärung des Beklagten vom 14.09.1990 und der Anfechtungserklärung in der Klageerwiderung vom 16.09.1991 wirksam geblieben, denn Rücktritts-, Widerrufs- und Anfechtungsgründe lagen nicht vor.
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Ein Widerruf auf der Grundlage von § 1 b Abs. 1 Abzahlungsgesetz kam nicht in Betracht, da der abgeschlossene Kaufvertrag nicht in den Anwendungsbereich des Abzahlungsgesetzes fällt.
- Die Parteien haben die Zahlung des Kaufpreises dergestalt vereinbart, dass neben einer mittels Scheck zu leistenden Anzahlung die Zahlung des gesamten Restkaufpreises bei Lieferung des Kaufgegenstandes erfolgen sollte.
- Nach allgemeiner Meinung unterfallen solche Vereinbarungen jedoch nicht dem Abzahlungsgesetz.
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Auch die Bestimmungen des HaustürWG sind nicht anwendbar.
- Insoweit hat der Beklagte nicht vorgetragen, dass die im Rahmen der Kreuzfahrt gebotene Möglichkeit der Besichtigung des Geschäfts der Klägerin zumindest auch im Interesse des Veranstalters der Kreuzfahrt durchgeführt wurde.
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Es kann unentschieden bleiben, ob die Klägerin – vertreten durch ihre Verkäufer (§ 278 BGB) – den Beklagten arglistig getäuscht hat, denn ein etwaiges Anfechtungsrecht auf der Grundlage des § 123 Abs. 1 BGB wäre durch den Fristablauf gemäß § 124 Abs. 1 BGB erloschen.
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Die Anfechtungserklärung ist eine zugangsbedürftige Willenserklärung. Die Klägerin bestreitet den Zugang des Schreibens des Beklagten vom 14.09.1990. Insoweit hat der Beklagte keinen Beweis angetreten.
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Die mit Schriftsatz vom 16.09.1991 erneut erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist erst nach Ablauf der Frist des § 124 Abs. 1 BGB erfolgt.
- Der Beklagte hat spätestens am 14.09.1990 von der möglichen Täuschung erfahren, so dass mit Ablauf des 13.09.1991 die Jahresfrist abgelaufen war.
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Auch eine Anfechtung auf der Grundlage des § 119 BGB ist wegen Fehlens eines Anfechtungsgrundes unwirksam.
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Zwar stünde der fehlende Zugang des Schreibens des Beklagten vom 14.09.1990 einer Wirksamkeit der darin enthaltenen Anfechtungserklärung nicht entgegen, denn gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 BGB genügte die – gemäß § 121 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgte – Absendung der Erklärung am 14.09.1990.
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Wenn die erste Erklärung verloren geht, reicht es zur Fristwahrung aus, wenn der Berechtigte die Anfechtung unverzüglich wiederholt.
- Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte bereits aus den außergerichtlichen Schreiben der Klägerin Kenntnis von dem fehlenden Zugang seines Schreibens vom 14.09.1990 erlangt hat.
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Der Beklagte hat bereits mit der Klageerwiderung erneut die Anfechtung wegen Irrtums erklärt, so dass diese Erklärung fristgemäß wäre.
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Da der Beklagte sich weder über eine Erklärungshandlung (§ 119 Abs. 1 zweite Alternative BGB) noch über den Inhalt der Käuferklärung (§ 119 Abs. 1 erste Alternative BGB) irrte, käme allein eine Anfechtung auf der Grundlage des § 119 Abs. 2 in Betracht. Auch dieser Anfechtungsgrund ist indes nicht gegeben.
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Voraussetzung für die Anfechtung einer Willenserklärung auf der Grundlage des § 119 Abs. 2 BGB ist ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache.
- Hierzu gehören – je nach Kaufgegenstand – die wertbildenden Faktoren.
- In dem Fall, in dem ein Seidenteppich Gegenstand des Kaufvertrages ist, stellen die Herkunft, die Herstellungsart, insbesondere die Anzahl der Knoten und gegebenenfalls das Motiv des Teppichs wertbildende Faktoren dar.
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Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrages hinsichtlich der Herkunft, des Motives und der Anzahl der Knoten des später dann von dem Beklagten gekauften Teppichs gemacht hat, die von der tatsächlichen Beschaffenheit des angebotenen Teppichs abgewichen hätten.
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Die Zeugin konnte insoweit lediglich auf die entsprechende Frage des Gerichts angeben, dass die Herkunft und die Anzahl der Knoten des Teppichs vor Abschluss des Kaufvertrages von dem Angestellten der Klägerin erläutert worden sei, die Zeugin konnte den Inhalt dieser Erklärungen des Verkäufers der Klägerin jedoch nicht angeben.
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Hinsichtlich des Wertes hat die Zeugin lediglich bekunden können, dass bei den Kaufvertragsverhandlungen gesagt worden sei, der Teppich sei sehr wertvoll und er würde in Deutschland das Doppelte kosten.
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Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung demgegenüber nicht bekunden können, dass die Angestellten der Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrages die vorgeführten Teppiche hinsichtlich des Preises in Deutschland so angepriesen hätten, dass die Teppiche in Deutschland das Doppelte unter dem von der Klägerin angebotenen Preis kosten würden.
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Unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen der Kaufvertrag abgeschlossen wurde, nämlich in einem türkischen Teppichgeschäft in der Türkei, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkäufer der Klägerin „zugesichert“ hat, der von dem Beklagten gekaufte Teppich würde in Deutschland tatsächlich das Doppelte kosten.
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Vielmehr ist unter Berücksichtigung der bekannten orientalischen Verhandlungsgewohnheiten von einer allgemeinen Anpreisung mit Werbeeffekt auszugehen.
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Die Klägerin kann lediglich Verzugszinsen in Höhe von 4 % gemäß § 288 I BGB beanspruchen.
- Die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung vom 16. Mai 1991, auf die die Klägerin zur Begründung der Zinsforderung allein Bezug nimmt, bestätigt lediglich die Aufnahme eines Devisenkredites bis zum 09.04.1991.
- Soweit danach ein höherer Verzugsschaden der Klägerin bis zum 09.04.1991 in Betracht kommt, hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass sich der Beklagte in Verzug befand.
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Da sich der Beklagte hinsichtlich der Abnahme des Kaufgegenstandes in Annahmeverzug befindet, waren ihm die überwiegenden Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
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Da die Klägerin andererseits einen zu weit reichenden Klageantrag – unbedingte Zahlung – gestellt hat, waren auch ihr Kosten aufzuerlegen (§ 92 I 1 ZPO).
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Die weitere Nebenentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1, 711 ZPO.
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