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LGKIEL Entscheidung vom 2009-01-30

LGKIEL
Unbekannt
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In dem Beschluss des Landgerichts Kiel ging es um die Frage, ob ein Sachverständiger im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung von Schallmängeln an einem Gebäude Bauteilöffnungen vornehmen darf. Das Gericht wies den Antrag der Antragsgegner zurück, da es der Auffassung war, dass der Sachverständige nicht verpflichtet werden kann, solche Eingriffe vorzunehmen, da dies gegen den Grundsatz der Beibringung des Prozessstoffes durch die Parteien verstößt. Die Entscheidung hat rechtliche Bedeutung, da sie die Grenzen der Befugnisse von Sachverständigen im Zivilprozess klärt und die Verantwortung für die Durchführung von Bauteilöffnungen den Parteien überlässt.

Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.

Kernpunkte der Entscheidung

  • 1"Der Antrag der Antragsgegner auf Anweisung des Sachverständigen zur Durchführung von Bauteilöffnungen wurde zurückgewiesen.
  • 2"Die Kammer schloss sich der Mehrheitsmeinung an, dass ein Sachverständiger nicht gegen seinen Willen zu zerstörenden Eingriffen in Bauteile verpflichtet werden kann.
  • 3"Die Entscheidung betont, dass die Aufgabe des Sachverständigen darin besteht, bestehende Mängel zu begutachten, nicht jedoch, selbst Bauteilöffnungen vorzunehmen.

Rechtliche Bedeutung

Die Entscheidung des Landgerichts Kiel behandelt die Frage, ob ein Sachverständiger im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens zur Durchführung von Bauteilöffnungen angewiesen werden kann, um Baumängel zu ermitteln. Hierbei wurde der Rechtsgrundsatz der Beibringung des Prozessstoffes durch die Parteien angewendet, was bedeutet, dass der Sachverständige nicht gegen seinen Willen tätig werden kann, da dies dem Zivilprozessrecht widerspricht. Diese Entscheidung ist insbesondere relevant für Fälle, in denen die Ermittlung von Baumängeln durch invasive Maßnahmen erforderlich ist, und hat praktische Auswirkungen auf die Verantwortlichkeiten und Haftungsrisiken von Sachverständigen, da sie nicht für die Durchführung von handwerklichen Tätigkeiten haftbar gemacht werden können.

Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.

Tenor

Der Antrag der Antragsgegner vom 18.12.2008, den Sachverständigen anzuweisen, Bauteilöffnungen zumindest bezogen auf die Wohnung 5 der Antragsgegner vorzunehmen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Sachverhalt

  1. In dem selbständigen Beweisverfahren geht es um Schallmängel der im Haus ... Straße ... in Neumünster errichteten Sanitärräume sowie deren Ursachen.

  2. Der Sachverständige ... hat bereits ein Gutachten erstattet und wurde aufgefordert, ergänzende Fragen zu beantworten.

  3. Antragsteller und Antragsgegner wünschten Bauteilöffnungen, um die Beweisfragen vollständig beantworten zu können.

  4. Der Sachverständige hat mit Schreiben vom 27.11.2008 mitgeteilt, dass er diese Bauteilöffnungen für entbehrlich halte, da:

    • Aufgrund der nicht ausreichend bemessenen Wohnungstrennwand die Aufbringung einer Vorsatzschale notwendig werde.
    • Er davon ausgehe, dass in diesem Zug auch die vermuteten Mängel innerhalb des Steigeschachtes und der Wanddurchführungen beseitigt werden.
  5. Lediglich die vorhandene starre Verfugung an den Fliesenböden zu den Trennwänden zum Schlafzimmer, zum Flur und zum Abstellraum bliebe bestehen. Hier müsse der Fußboden sowieso aufgenommen werden, sodass es unerheblich sei, ob derzeit Flankenübertragungen stattfänden oder nicht.

II. Stellungnahme der Antragsgegner

  1. Mit Schriftsatz vom 18.12.2008 hielten die Antragsgegner an ihrer Auffassung fest, dass der Sachverständige eine Bauteilöffnung vornehmen müsse, um festzustellen:

    • Welche Mängel innerhalb des Steigeschachtes und der Wanddurchführung vorlägen.
    • Ob diese Mängel mit der Aufbringung einer Vorsatzschale beseitigt werden könnten.
  2. Die Antragsgegner wiesen darauf hin, dass:

    • Es weder technisch erforderlich noch üblich sei, die Vorsatzschale bis zur Sohle herunterzuführen.
    • Sie davon ausgingen, dass die Aufnahme des Fliesenbodens nicht erforderlich sei.
  3. Sie widersprachen der Bauteilöffnung hinsichtlich der Wohnungen Nrn. 5 und 8, die im Eigentum der Antragsgegner stehen.

  4. Sollten die Antragsteller auf einer Öffnung der Fußböden bei diesen Wohnungen bestehen, kündigten die Antragsgegner Schadensersatzansprüche an.

  5. Hingegen bestand Einverständnis mit einer teilweisen Bauteilöffnung der Wohnung Nr. 5 (Steigeschacht, Wanddurchführungen). Gegebenenfalls könne die Bauteilöffnung in der Wohnung Nr. 8 durchgeführt werden.

  6. Die Antragsteller hielten die Durchführung von Bauteilöffnungen entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen für entbehrlich.

III. Rechtliche Würdigung

  1. Die Frage, ob das Gericht einen Sachverständigen gemäß § 404 a ZPO anweisen kann, Bauteilöffnungen vorzunehmen, ist durch den BGH bislang nicht entschieden worden.

  2. In Literatur und Rechtsprechung ist die Frage höchst streitig. Während einige Oberlandesgerichte die Möglichkeit bejahen, verneinen andere diese Möglichkeit.

    • Bejahende Oberlandesgerichte:

      • OLG Celle (Beschluss vom 08.02.2005)
      • OLG Jena (Beschluss vom 18.10.2006)
      • OLG Düsseldorf (BauR 1997, 697)
    • Verneinende Oberlandesgerichte:

      • OLG Frankfurt (IBR 2004, 442)
      • OLG Hamm (IBR 2007, 160)
      • OLG Bamberg (BauR 2002, 829)
  3. Die Kammer schließt sich der Mehrheitsmeinung an und erteilt dem Sachverständigen keine Weisung, diese Bauteilöffnungen vorzunehmen.

  4. Die Aufgabe eines Sachverständigen besteht darin, analytisch vorzugehen und Sachverhalte durch Augenschein zu ermitteln.

  5. Der Sachverständige ist demzufolge als verlängerter Arm des Richters tätig, dem die notwendige Sachkunde für die Beurteilung von Baumängeln fehlt.

  6. Genauso wenig wie der erkennende Richter im Rahmen von Augenscheinseinnahmen zu zerstörenden Eingriffen in Bauteile berechtigt oder verpflichtet sein kann, kann dies dem für ihn tätigen Sachverständigen gestattet werden.

  7. Weitergehende Maßnahmen sind dem Sachverständigen nicht gestattet, da dies gegen den das Zivilprozessrecht beherrschenden Grundsatz der Beibringung des Prozessstoffes durch die Parteien verstößt.

  8. Sollte eine Partei Wert darauf legen, dass die Begutachtung sich auch auf Bauteilöffnungen erstreckt, bleibt es ihr unbenommen, diese Bauteilöffnung in Abstimmung mit dem Sachverständigen vorzunehmen.

IV. Haftungsfragen und Risiken

  1. Die Gegenmeinung, die den Sachverständigen auch gegen dessen Auffassung für verpflichtet hält, Bauteilöffnungen vorzunehmen, verkennt, dass damit dem Sachverständigen eine Amtsaufklärung zugemutet wird, die dem Zivilprozess fremd ist.

  2. Der Versicherungsschutz des als Sachverständigen beauftragten Architekten umfasst grundsätzlich keine handwerklichen Tätigkeiten.

  3. Im Falle von Schäden, die durch die Vornahme von Bauteilöffnungen entstehen, trägt der Sachverständige das Haftungsrisiko allein.

  4. Dies führt in der Regel dazu, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige die Überprüfung verweigern wird.

  5. Sollte der Sachverständige dennoch angewiesen werden, könnte das Gericht in Erwägung ziehen, ihn von der Haftung freizustellen.

  6. Zudem stellt sich die Frage, ob der Sachverständige nach der zerstörenden Bauteilöffnung verpflichtet sein müsste, das zerstörte Bauteil wieder herzustellen.

  7. Dies könnte dazu führen, dass der Sachverständige seine Funktion als lediglich Begutachtender verlässt und im Rahmen der Mängelbeseitigung tätig wird, was unzulässig ist.

  8. Die Praktikabilitätserwägungen der Oberlandesgerichte Jena und Celle müssen in diesem Kontext zurücktreten, sodass der Antrag der Antragsgegner auf Bauteilöffnung zur Feststellung der Schallbrücken abzulehnen ist.

Die hier wiedergegebenen Entscheidungen stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen. Eine Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit kann nicht übernommen werden.

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