OLGKARL - 10 O 528/08 vom 2012-11-27
In der Entscheidung des OLG Karlsruhe ging es um die Frage, ob die Beklagte, eine Bausparkasse, für vorvertragliche Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung haftet. Das Gericht entschied, dass die Beklagte den Klägern Schadensersatz in Höhe von 109.927,75 EUR zu zahlen hat, da sie diese arglistig über die Mietpoolausschüttungen und die Höhe der Provisionen getäuscht hatte. Die rechtliche Bedeutung dieser Entscheidung liegt darin, dass sie die Haftung von Finanzierungsinstituten bei arglistiger Täuschung durch Vertriebspartner bekräftigt und die Verjährung von Schadensersatzansprüchen in solchen Fällen klarstellt.
Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.
Kernpunkte der Entscheidung
- 1"Die Beklagte wurde verurteilt, 109.927,75 EUR nebst Zinsen an die Kläger zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übertragung des Wohnungseigentums.
- 2"Es wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, weiteren Schaden der Kläger zu ersetzen, der durch den Kauf der Immobilie verursacht wurde.
- 3"Die Beklagte befindet sich mit der Übernahme des Wohnungseigentums in Annahmeverzug.
Rechtliche Bedeutung
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe bezieht sich auf die vorvertragliche Aufklärungspflicht und die Haftung der Beklagten für arglistige Täuschung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung. Der Rechtsgrundsatz der „culpa in contrahendo“ wurde angewendet, was bedeutet, dass die Beklagte für die Verletzung ihrer Aufklärungspflichten haftet, da sie den Klägern falsche Informationen über die Mietpoolausschüttungen und die Provisionszahlungen gegeben hat. Diese Entscheidung ist insbesondere relevant für Fälle, in denen Anleger aufgrund von fehlerhaften oder irreführenden Informationen über Immobilieninvestitionen geschädigt wurden, und hat zur Folge, dass Geschädigte Schadensersatzansprüche geltend machen können, auch wenn die Beklagte Einrede der Verjährung erhebt.
Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.
Urteil des Landgerichts Karlsruhe
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 18. November 2011 - 10 O 528/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt geändert:
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Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts vom 18. März 2009 wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 109.927,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.05.2011 zu zahlen, Zug um Zug gegen kostenneutrale Abgabe sämtlicher Erklärungen, die zur Übertragung des im Wohnungsgrundbuch von H., Blatt … eingetragenen Wohnungseigentums, bestehend aus einem 1273/100.000stel Miteigentumsanteil nach WEG verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. ... bezeichneten Wohnung, gelegen im Haus R., 66,24 m², bestehend aus drei Zimmern, Bad, Keller, mit sämtlichen im Grundbuch eingetragenen und nicht eingetragenen Belastungen und Beschränkungen, auf die Beklagte erforderlich sind.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der durch den Kauf der in Ziffer 1 bezeichneten Immobilie verursacht ist.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Übernahme des in Ziffer 1 bezeichneten Wohnungseigentums in Annahmeverzug befindet.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge mit Ausnahme der durch die Säumnis der Kläger im Termin vom 18.03.2009 verursachten Kosten; diese tragen die Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung des Gläubigers gegen Sicherheitsleistung von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 119.927,75 EUR.
Gründe
I. Sachverhalt
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Die Kläger verlangen von der beklagten Bausparkasse Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung.
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Die Klägerin, eine seinerzeit 42-jährige Verwaltungsangestellte, und der Kläger, ein damals 43-jähriger kaufmännischer Angestellter, wurden im Dezember 1993 von einem Untervermittler der I. GmbH, die der H. & B.-Firmengruppe (im Folgenden: H & B) zugehörte, geworben, um eine Eigentumswohnung in H., R., zu erwerben.
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Im Verlauf der Besprechungen erhielten die Kläger einen Besuchsbericht zur Berechnung der monatlichen Belastung durch Zinsen und Tilgung (Anlage B 2), in dem folgende Punkte ausgewiesen sind:
- Zinsen: 1.120 DM
- Mieteinnahme: 636 DM
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Die Kläger unterschrieben neben einem Darlehensantrag auch eine „Vereinbarung über Mietenverwaltung“ mit der H. GmbH (künftig: HMG), die damals die Mietpoolverwaltung innehatte (Anlage B 3).
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Mit notariellen Urkunden vom 03.12./10.12.1993 erwarben die Kläger die 66,24 m² große Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 175.152 DM (Anlagen K 2 und K 3).
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Zur Finanzierung schlossen die Kläger mit der B. (später: S. AG) am 27.12./28.12.1993 einen Vertrag über ein Vorausdarlehen im Nennbetrag von 215.000 DM.
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Die Kläger reichten am 16.09.2002 eine Vollstreckungsabwehrklage gegen die Beklagte ein, die sie jedoch am 23.12.2002 zurücknahmen.
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Mit der am 29.12.2008 beim Landgericht eingegangenen Klage haben die Kläger Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten begehrt.
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Das Landgericht hat die Schadensersatzklage der Kläger abgewiesen, da mögliche Schadensersatzansprüche verjährt seien.
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Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, die ihre erstinstanzlichen Klaganträge in vollem Umfang weiterverfolgen.
II. Entscheidung des Senats
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Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg.
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Der Senat kann den rechtlichen Ausführungen des Landgerichts zur Frage des Haftungsgrundes nicht durchweg beipflichten. Die von den Klägern angegriffene rechtliche Beurteilung der Verjährungseinrede hält berufungsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
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Die Kläger können von der Beklagten wegen vorvertraglicher Verletzung von Aufklärungspflichten die Zahlung von Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe von 109.927,75 EUR nebst den begehrten Zinsen beanspruchen.
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Das streitige Schuldverhältnis ist gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Vorschriften zu beurteilen.
1. Aufklärungspflichtverletzung
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Die Beklagte hat ihre gegenüber den Klägern bestehende eigene Aufklärungspflicht schuldhaft verletzt.
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Es liegt eine evident unrichtige Angabe über die Ausschüttungen des Mietpools vor.
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Die Kläger sind durch unzutreffende Angaben in dem Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die im Kaufpreis versteckten Innenprovisionen getäuscht worden.
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Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätten die Kläger weder die Eigentumswohnung erworben noch den Darlehensvertrag abgeschlossen.
2. Verjährung
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Der Anspruch der Kläger ist nicht verjährt und damit weiterhin durchsetzbar.
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Die erst ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Anspruchs laufende Verjährungsfrist von drei Jahren war bei Rechtshängigkeit des von den Klägern geltend gemachten Haftungsgrundes noch nicht abgelaufen.
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Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger ist nicht nachgewiesen.
III. Schadensersatz
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Die Beklagte hat die Kläger nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Satz 1 BGB) so zu stellen, wie diese ohne die schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung gestanden hätten.
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Den Klägern steht der geltend gemachte Schadensersatzbetrag von 109.927,75 EUR zu.
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Der Feststellungsantrag der Kläger ist zulässig und begründet.
IV. Kostenentscheidung
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 344 ZPO.
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Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
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