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OLGROST - 10 W 132/08 vom 2009-04-30

OLGROST
10 W 132/08
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In der Entscheidung des OLG Rostock vom 30. April 2009 ging es um die Streitwertfestsetzung in einem selbständigen Beweisverfahren, das die Antragstellerin wegen Rissen in ihrem Wohnhaus angestrengt hatte. Das Gericht wies die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg zurück und bestätigte einen Streitwert von 30.000 Euro, da die Risse nicht auf die Bauarbeiten der Antragsgegnerin zurückzuführen waren. Die Entscheidung ist rechtlich bedeutend, da sie klarstellt, dass der Streitwert im selbständigen Beweisverfahren nach dem materiellen Interesse des Antragstellers und den tatsächlichen Ursachen der Schäden zu bemessen ist.

Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.

Kernpunkte der Entscheidung

  • 1"Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg wird zurückgewiesen.
  • 2"Der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren wurde auf EUR 30.000,- festgesetzt.
  • 3"Die Risse im Wohnhaus der Antragstellerin wurden zwar bestätigt, jedoch waren die Rammarbeiten im Rahmen des Hafenausbaus nicht ursächlich für diese Schäden.

Rechtliche Bedeutung

Die Entscheidung des OLG Rostock bezieht sich auf die Streitwertfestsetzung in einem selbständigen Beweisverfahren und wendet die Grundsätze zur Ermittlung des Streitwerts gemäß § 68 GKG an. Relevant ist diese Entscheidung für Fälle, in denen Antragsteller in selbständigen Beweisverfahren Schadensgutachten anfordern und der Streitwert aufgrund der geschätzten Beseitigungskosten für Mängel festgelegt werden muss. Praktisch hat die Entscheidung zur Folge, dass die Höhe des Streitwerts nicht allein von den behaupteten Mängeln abhängt, sondern auch von der tatsächlichen Ursache und den möglichen Folgeschäden, was die finanziellen Risiken für die Antragsteller beeinflussen kann.

Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.

Tenor

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 05.06.2008 wird zurückgewiesen.

  2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I. Sachverhalt

  1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines an der Peene gelegenen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in L.

  2. Seit dem Jahr 2005 führte die Antragsgegnerin zu 1) in Teilabschnitten verschiedene Arbeiten der Baumaßnahme „Hafenausbau und Marina L.“ durch. Das ausführende Unternehmen war die Antragsgegnerin zu 2). Die Antragsgegnerin zu 1) beauftragte die Antragsgegnerin zu 3) mit der Bauplanung und Bauüberwachung. Der Antragsgegner zu 4) war angeblich mit der Beratung am Bau befasst.

  3. Am 07.04.2006 begann die Antragsgegnerin zu 2) mit Rammarbeiten zur Erneuerung der Uferwand, die sie auf Weisung der Antragsgegnerin zu 1) am 10. oder 11.04.2006 kurzzeitig unterbrach und schließlich am 21.04.2006 beendete.

  4. Bereits am 06.04.2006 bemerkte die Antragstellerin Risse an den Wänden ihres Wohnhauses. Später entdeckte sie auch noch andere Risse. Diese Schäden sind Gegenstand einer außergerichtlichen Auseinandersetzung und des am 15.02.2007 eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens gewesen.

  5. Die Antragstellerin begehrte in der Antragsschrift vom 12.02.2007 gutachtliche Feststellungen unter anderem zu:

    • dem Vorhandensein der näher bezeichneten Risse
    • deren Ursachen
    • den Auswirkungen auf die Statik
    • der Lebensdauer
    • der Durchfeuchtung des Mauerwerkes
    • weiteren Folgeschäden
    • einer etwaigen Wertminderung des Gebäudes
  6. Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. H. erstellte am 03.03.2008 ein schriftliches Gutachten. Er führte aus, dass die Risse auf bauphysikalische und materialbedingte Vorgänge (z. B. Schwinden und Quellen) sowie eine nicht fachgerechte Ausführung der Gebäudesanierungsarbeiten im Jahre 1999 zurückzuführen seien. Die Kosten für die Beseitigung der aufgefundenen Risse betrügen EUR 5.500.

  7. Die Beschwerde vom 07.02.2009 richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 05.06.2008, mit dem es den Streitwert auf EUR 30.000 festgesetzt hat. Das Landgericht hat der Antragstellerin erst am 26.01.2009 eine Ausfertigung des Beschlusses übersandt. Mit Beschluss vom 16.03.2009 hat es der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Entscheidung

  1. Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

  2. Für die Wertbestimmung in einem selbständigen Beweisverfahren ist das materielle Interesse des Antragstellers an der Begutachtung maßgebend. Das Interesse richtet sich nach dem zu sichernden Anspruch, in aller Regel also nach dem erforderlichen Aufwand für die Beseitigung der behaupteten Schäden oder Mängel.

  3. Nach der Rechtsprechung des 3. Zivilsenats des BGH ist der von einem Antragsteller bei Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens geschätzte Wert (§ 61 GKG) weder bindend noch maßgeblich. Nach Einholung des Gutachtens hat das Gericht den „richtigen“ Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen.

    „Wird nicht alle behaupteten Mängel vom Sachverständigen bestätigt, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn die Mängel festgestellt worden wären.“

  4. Das Gericht schätzt den Streitwert auf EUR 30.000.

  5. Zwar konnte der Sachverständige das Vorhandensein der von der Antragstellerin behaupteten Risse „vollinhaltlich bestätigen“, jedoch waren die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Hafenausbau, vor allem die Rammarbeiten, für diese Schäden nicht ursächlich. Bei einer solchen Sachlage kann zur Bemessung des Gegenstandswertes der vom Sachverständigen kalkulierte Aufwand nicht herangezogen werden.

  6. Die vom Sachverständigen näher dargelegten und bezifferten Kosten für die „Mängelbeseitigung“ betreffen allein die an den jeweiligen Wänden sichtbaren Risse. Der Sachverständige konstatierte, dass Feuchtigkeitsschäden und weitere Folgeschäden möglich seien, wenn die Risse nicht beseitigt würden. Die von der Antragstellerin befürchteten Auswirkungen auf die Statik und Lebensdauer des Gebäudes sowie eine Minderung des Wertes des Hauses konnte der Sachverständige indes nicht feststellen.

  7. Es ist äußerst nahe liegend, dass die Beschädigung des Gebäudes weitaus erheblicher gewesen wäre, wenn sich die durch den Hafenausbau, vor allem durch die Rammarbeiten, verursachten Erschütterungen tatsächlich auf das Haus der Antragstellerin ausgewirkt hätten.

    „Die Risse an der Wandoberfläche wären nur ein Anzeichen für tiefer liegende, die Statik beeinflussende Schäden gewesen.“

    Gerade die Klärung der Ursachen und Folgen der Risse war für die Antragstellerin von entscheidender Bedeutung, so dass sich der Streitwert hieran orientieren muss. Mit einem Betrag von EUR 30.000 ist der objektive Wert keinesfalls zu hoch bemessen. Denn die Beschädigung tragender Bauwerksteile hätte sich vermutlich auf die Stabilität des gesamten Gebäudes ausgewirkt. Die Beseitigung eines solchen Schadens hätte einen erheblichen Mehraufwand gegenüber dem Verfüllen der Risse mit Mörtel bedeutet.

  8. Aus § 68 Abs. 3 GKG folgt, dass das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

Die hier wiedergegebenen Entscheidungen stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen. Eine Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit kann nicht übernommen werden.

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Rechtlicher Hinweis

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