LGBN Entscheidung vom 2012-04-18
In dieser Entscheidung des Landgerichts Bonn ging es um die Rückabwicklung eines Bauträgervertrags, bei dem die Kläger aufgrund einer DDT-Kontamination des erworbenen Wohnobjekts eine arglistige Täuschung durch die Beklagte geltend machten. Das Gericht entschied, dass die Beklagte den Klägern einen Sachmangel arglistig verschwiegen hatte und verurteilte sie zur Rückzahlung von 518.069,04 € sowie zur Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren. Die Entscheidung hat rechtliche Bedeutung, da sie die Aufklärungspflichten von Verkäufern bei Immobilienverkäufen in Bezug auf gesundheitsschädliche Stoffe verdeutlicht und die Möglichkeit der Rückabwicklung bei arglistiger Täuschung stärkt.
Diese Zusammenfassung dient ausschließlich der ersten Orientierung und stellt keine Rechtsberatung dar.
Kernpunkte der Entscheidung
- 1"Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 518.069,04 € zu zahlen, nebst Zinsen auf verschiedene Beträge seit 2008.
- 2"Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug bezüglich der Erteilung einer Löschungsbewilligung befindet.
- 3"Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern jeden weiteren, noch nicht bezifferbaren Schaden im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wohnungseigentums zu ersetzen.
Rechtliche Bedeutung
Die Entscheidung des LGBN vom 18. April 2012 bezieht sich auf die Rückabwicklung eines Bauträgervertrags aufgrund arglistiger Täuschung über eine DDT-Kontamination der Immobilie. Hierbei wurden die Rechtsgrundsätze der arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) und der Aufklärungspflichtverletzung angewendet, die für Immobilienkäufe von zentraler Bedeutung sind. Die Entscheidung ist insbesondere relevant für Fälle, in denen Käufer über gesundheitsschädliche Stoffe in Immobilien nicht informiert werden, und hat praktische Auswirkungen auf die Haftung von Verkäufern sowie auf die Rechte von Käufern, Rückabwicklung und Schadensersatz zu verlangen.
Hinweis: Diese rechtliche Einschätzung dient nur zu Informationszwecken. Sie ersetzt keine professionelle Rechtsberatung. Für konkrete rechtliche Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt. Die Interpretation von Gerichtsentscheidungen kann je nach Einzelfall variieren.
Urteil des Landgerichts Bonn
Tenor
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 518.069,04 € zu zahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf:
- 127.785,00 € seit dem 23.04.2008
- 119.266,00 € seit dem 11.01.2009
- 29.816,50 € seit dem 18.02.2009
- 50.688,05 € seit dem 22.05.2009
- 35.779,80 € seit dem 11.08.2009
- 12.852,25 € seit dem 15.08.2009
- 47.706,40 € seit dem 16.10.2009
- 12.408,25 € seit dem 26.01.2010
- 4.000,00 € seit dem 25.02.2010
- 84.392,85 € seit dem 19.07.2011
Zug um Zug gegen Erteilung der Löschungsbewilligung betreffend die in Abt. II lfd. Nr. 5 des Grundbuches von Q des Amtsgerichts Q, Blatt #####, zugunsten der Eheleute Prof. Dr. I H und N H eingetragenen Auflassungsvormerkung sowie Zug um Zug gegen Abtretung der Grunderwerbssteuererstattungsansprüche der Kläger gegen den Fiskus aus der Rückabwicklung der Veräußerung des o.g. Wohnungsrechts.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte hinsichtlich des vorstehenden Angebots zur Erteilung der Löschungsbewilligung in Annahmeverzug befindet.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern jeden weiteren im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wohnungseigentums entstandenen und noch entstehenden, zurzeit noch nicht bezifferbaren Schaden zu ersetzen.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 8.634,40 € nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2011 zu zahlen.
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Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 5% und die Beklagten 95%; exklusive der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Q entstandenen Mehrkosten, welche von den Klägern zu tragen sind.
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Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines geschlossenen Bauträgervertrages und den Ersatz der hierdurch entstandenen Schäden.
Hintergrund
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Die Beklagte erwarb im Mai 2007 ein bebautes Teilgrundstück in der sog. „Speicherstadt Q“, auf welchem sich u.a. das streitgegenständliche Gebäude (sog. „Schinkelspeicher“, „Magazin 3“) befindet.
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Im Notarvertrag der Beklagten befand sich ein ausdrücklicher Hinweis auf Gutachten, die eine erhebliche DDT-Kontaminierung des streitgegenständlichen Gebäudes auswiesen.
„DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) ist ein gesundheitsschädliches Pestizid, dessen Verwendung seit 1972 in der BRD verboten ist.“
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Anfang 2007 wurden Messungen zur DDT-Belastung in den Gebäudekomplexen der Speicherstadt Q vorgenommen. Die Werte im Gebäude der Kläger lagen bei Konzentrationen bis zu 600 mg/m³.
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Die Beklagte entschied sich, die Holzbodendielen im Schinkelspeicher zu entfernen und das tragende Balkenholz mit einer speziellen Schicht zu versiegeln.
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Für die Weiterveräußerung der Objekte ließ die Beklagte ein notarielles Angebot für einen Kauf- und Bauträgervertrag erstellen. Keines dieser Dokumente enthielt Hinweise auf die DDT-Kontaminierung.
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Die Kläger unterzeichneten am 15.08.2007 das Angebot für eine Wohneinheit zu einem Kaufpreis von 425.950,00 €.
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Nach der Fertigstellung der Bauarbeiten erfolgte am 29.09.2009 die Übergabe des Sondereigentums an die Kläger.
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Die Kläger erfuhren erstmals von der DDT-Belastung durch eine Kundeninformation der Beklagten am 02.07.2010.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.03.2011 erklärten die Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages und forderten die Beklagte zur Rückabwicklung auf.
Argumentation der Kläger
Die Kläger behaupten, dass:
- Gesundheitsgefahr für die Bewohner der Wohnung bestehe.
- Die DDT-Belastung nicht vollständig eliminiert sei.
- Die Beklagte sie arglistig getäuscht habe, indem sie die DDT-Kontaminierung nicht offenlegte.
Argumentation der Beklagten
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und führt an, dass:
- Eine arglistige Täuschung oder Pflichtverletzung nicht vorliege.
- Die DDT-Kontaminierung eine allgemein bekannte Tatsache sei.
- Die Kläger Eigenverschulden treffe, da sie sich nicht ausreichend informiert hätten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in dem erkannten Umfang begründet. Die Beklagte hat den Klägern im Zuge der Vertragsverhandlungen einen Mangel des erworbenen Objekts arglistig verschwiegen.
Sachmangel
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Die DDT-Belastung begründet einen Sachmangel gemäß §§ 434, 633 BGB.
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Der Mangel war aufklärungsbedürftig, da die Wohnung durch die DDT-Belastung in ihrem Wert und ihrer Nutzbarkeit erheblich beeinträchtigt ist.
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Die Beklagte verletzte ihre Aufklärungspflicht, was eine arglistige Täuschung gemäß § 123 BGB begründet.
Anfechtungsrecht
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Das Anfechtungsrecht der Kläger ist nicht nach § 144 BGB ausgeschlossen.
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Die Kläger haben ihr Anfechtungsrecht auch nicht nach § 242 BGB verwirkt, da sie die Anfechtung innerhalb der gesetzlichen Frist erklärten.
Schadensersatz
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Aufgrund der arglistigen Täuschung steht den Klägern ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 311 Abs. 2, 241, 280 BGB zu.
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Der zu ersetzende Vertrauensschaden umfasst:
- Rückabwicklung des Kaufpreises
- Erstattung der Kaufnebenkosten
- Sonstige Ausgaben
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Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht.
Zinsen und Kosten
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Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280, 286 BGB.
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Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 92, 281 Abs. 3, 709 ZPO.
Streitwert
563.545,10 € (Antrag 1: 524.695,10 €, Antrag 2: ohne Ansatz, Antrag 3: 23.850,00 €, Antrag 4: 15.000,00 €, Antrag 5: ohne Ansatz)
Berichtigungsbeschluss
Am 24.05.2012 erging der nachfolgende Berichtigungsbeschluss, um offensichtliche Unrichtigkeiten zu korrigieren.
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